Podiumsdiskussion der ÖBS Stein am Rhein über die Stadtentwicklung in Vorderbrugg
davidgallati_jugendkafiFür viele stellte schon die Suche des «Jugendkafi Yucatan» in der alten Massstabfabrik eine kleine Herausforderung dar, vor allem wenn sie aus der rechten Rheinseite hergekommen waren. «Wir haben diesen Standort bewusst gewählt» begrüsst David Gallati das zahlreiche Publikum, das sich vorwiegend aus den angrenzenden Quartieren zusammensetzte. Die Ökoliberale Bewegung Stein am Rhein wolle mit dieser Veranstaltung die Diskussion über die Entwicklung des Städtchens anregen. Mit dem Quartierplan für das Degerfeld hätte sich dazu eine aktuelle Gelegenheit ergeben.
Gut erschlossene Gebiete nutzen
Die Raumplanerin Carole Signer (ÖBS) aus Schaffhausen ging in ihrem Einstiegsreferat auf die Auswirkungen des neuen Raumplanungsgesetzes ein. Schaffhausen gehöre zu den vier Kantonen in der Schweiz, die in der Vergangenheit zuviel Bauland gehortet hätten. Diese Landreserven müssten in den nächsten fünfzehn Jahren wieder ausgezont werden – mit noch ungeklärten Folgen für die betroffenen Gemeinden. Die Kantonsregierung bestimme mit einem Richtplan, welche Gemeinden Zentrumsaufgaben wahrnehmen und deshalb weiter wachsten dürften. Grundsätzlich eigneten sich Gebiete, die verkehrstechnisch besser erschlossen seien, besser für die Entwicklung einer Ortschaft, als noch unbebaute Randzonen. Das nahe am Bahnhof gelegene Degerfeld würde sich für die Siedlungsentwicklung deshalb besser eignen, stellte die Geografin klar: «lieber in einem gut erschlossenen Gebiet dicht bauen, als in der grünen Wiese». Dicht bauen hiesse aber nicht unbedingt, jeden Quadratmeter zuzubetonieren, in einem lebenswerten Quartierplan dürften auch Freiräume nicht vergessen gehen.
Ist moderates Wachstum in Stein am Rhein weiterhin möglich?
Mit dem vorliegenden Quartierplan erfülle die Stadt die gesetzlichen Vorgaben, erklärte Stadtrat Markus Oderbolz. Der von einem Planungsbüro entworfene Plan lege ausserdem nicht fest, was gebaut werden müsse, sondern definiere nur die Grenzen innerhalb derer gebaut werden dürfe. Das Degerfeld sei schon in den fünfziger Jahren als W4-Zone bestimmt worden und weil die Bevölkerung der Bau- und Zonenordnung zugestimmt habe, dürfe in diesem Gebiet folglich auch viergeschossig gebaut werden. Da ein grosser Teil des Degerfelds der Stadt gehöre, könne sie deren Entwicklung weiterhin steuern. «Wir sind in den letzten Jahren mit einem moderaten Wachstum von etwa einem Prozent gut gefahren», versicherte der Baureferent, ein neues Quartier für 400 bis 600 Personen sei nicht innerhalb eines kurzen Zeitraumes geplant. Allerdings stellte der Stadtrat klar, dass der Quartierplan gültig sein würde, sobald der Regierungsrat diesen genehmigt hätte und die Einsprachen geklärt seien – eine Abstimmung sei nicht vorgesehen.
Das Degerfeld – ein Gebiet so gross, wie die gesamte Altstadt
Er verfolge die Entwicklung mit Sorge, stellte der dritte Referent, Richard Gaido fest. Der Architekt und Mitinitiant der Gruppe «Vision Stein am Rhein» könne nicht verstehen, warum der Egelsee nicht als Zentrum des neuen Quartiers bestimmt wurde. Aus dem Gebiet, das so gross wie die Altstadt sei, dürfe nicht ein reines «Wohnghetto» werden. Neben der angrenzenden Industrie könne eine Kombination von Wohn- und Gewerbegebiet für eine gute Durchmischung sorgen. Vor allem aber erschiene im die Lösung der Verkehrswege der Fussgänger, Velo- und Autofahrer wenig durchdacht. Der neu angesiedelte Coop, der dem angrenzenden Quartier den Rücken kehre (wörtlich nannte der Referent ein weniger edles Körperteil), habe sein Vertrauen in die Stadtplaner auch nicht eben gefestigt. Er zeigte sich überzeugt, dass ein Ideenwettbewerb bessere Lösungen hervorbringen würde.
Verkehrsüberlastung im Quartier
Irritiert zeigte sich auch Irene Gruhler Heinzer (SP), die mit anderen Anwohnern Einsprache erhoben hatte. Die schmalen Verkehrswege im Quartier seien bereits heute überlastet, insbesondere in der Nähe des Bahnhofs. Dass der neue Coop da gebaut wurde, wo im Quartierplan ein Veloweg eingezeichnet war, habe auch nicht zur Klärung über die geplante Bautätigkeit beigetragen. Sie könne nicht verstehen, warum die Stadt vierstöckige Blocksiedlungen unmittelbar neben der Industrie aufstellen wolle. Damit würde sie ihr eigenes Bauland entwerten. «Ein Industriegebiet ist einfach mit Immissionen verbunden», es seien Gerüche und Lärm wahrnehmbar und es müsse auch mit dem Verkehr von Zulieferern gerechnet werden. Mit ihrer Bemerkung, sie und die Anwohner im Quartier seien nicht einfach grundsätzlich gegen neue Projekte, sondern wünschten sich eine Siedlung, in der auch Leute wirklich gerne wohnen würden, erntete sie starken Applaus aus dem Publikum.